Pharma

Wie sich klinische Studien in den letzten Jahrhunderten entwickelten

Medizinische Neugier, historische Entwicklungen und Skandale prägten die Entwicklung klinischer Studien. Ein Überblick zeigt entscheidende Ereignisse, die Gesellschaft und klinische Forschung prägten.

 

Anfänge der medizinischen Geschichte im Überblick

 

Erste kontrollierte klinische Interventionsstudie (1794)

Auf einem Schiff teilte der schottische Arzt James Lind eine Mannschaft von zwölf Matrosen in sechs Gruppen mit jeweils zwei Personen ein. Bei dieser ersten kontrollierten dokumentierten Interventionsstudie suchte er nach Möglichkeiten, die Vitamin-C-Mangelerkrankung Skorbut zu behandeln. Dabei bekam eine Gruppe Zitrusfrüchte. Als sie infolge der Behandlung schneller gesund wurde, führte Lind das auf ihre vitaminreiche Ernährung zurück.

 

Erstmaliger dokumentierter Versuch mit einer Placebo-Lösung (1863/1865)

Der Amerikaner Austin Flint und der Brite William Witney Gull nutzen eine Placebo-Lösung, um Menschen mit rheumatischem Fieber zu behandeln. Dabei stellten sie keine Unterschiede zu Patienten fest, die andere Medikamente erhielten. Sie erkannten, dass die Genesung der Patienten nicht nur mit dem verabreichten Medikament zusammenhing, sondern auch mit dem individuellen Krankheitsverlauf.

 

Durchführung einer der ersten Doppelblindstudien (1926-1931)

Bei einer Tuberkulose-Studie teilte James Burns Amberson 24 Patienten per Münzwurf in zwei Gruppen ein. Die erste Gruppe erhielt per Injektion Sanocrysin (eine Goldsalzlösung), die zweite Gruppe destilliertes Wasser. Nur zwei Ärzte und die Studienleitung wussten, wer zu welcher Gruppe gehörte. Die Sanocrysin-Gruppe zeigte starke Nebenwirkungen, ein Patient verstarb.

 

Federal Food, Drug and Cosmetic Act (1938)

Ein Skandal nach der Einnahme des Erkältungssaft Elixir Sulfanilamid löste in den USA eine Gesetzeseinführung aus: den Federal Food, Drug and Cosmetic Act. Dieser beinhaltet Gesetze mit dem Fokus auf Sicherheit von Lebensmitteln, Medikamenten, Medizinprodukten und Kosmetika. Dabei wurde unter anderem festgelegt, dass die Sicherheit des Arzneimittels vor der Zulassung nachgewiesen werden muss. 1937 starben mehr als 100 Patienten, unter ihnen dutzende Kinder, nachdem sie den Erkältungssaft getrunken hatten. Das Mittel enthielt die hochtoxische Substanz Diethylenglykol, das auch als Frostschutzmittel bekannt ist.

 

Nürnberger Kodex (1947)

Nach den Menschenversuchen im Nationalsozialismus formulierte der amerikanische Militärgerichtshof den Nürnberger Kodex. In Konzentrationslagern waren von Ärzten Experimente und Morde veranlasst worden, ohne Rücksichtnahme auf körperliche Unversehrtheit oder Leben der Gefangenen. Der Nürnberger Kodex legte unter anderem fest, dass der Nutzen klinischer Studien für den Patienten maßgeblich für die medizinische Forschung sein muss. Außerdem sollen Probanden künftig Tests freiwillig zustimmen, bevor sie an Untersuchungen teilnehmen.

 

Entwicklung von klinischen Studien in der näheren Vergangenheit

 

WMA-Deklaration von Helsinki (1964)

Auf seiner Generalversammlung legte der Weltärztebund (WMA) umfangreiche ethische Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen fest. Die Sorgfalt bei klinischen Studien und die angemessene Aufklärung des Patienten gilt seitdem als Standard. Zudem wird festgelegt, dass eine Studie nur durchgeführt werden darf, wenn deren Ziel die Risiken und Belastungen der Patienten übersteigt.

 

Revision der WMA-Deklaration von Helsinki (2013)

Mit diesem Papier wurde der Schutz des Patienten weiter gestärkt. Placebos dürfen in einer Studie nur verwendet werden, wenn kein Risiko für Patienten besteht, Teilnehmer haben auch nach der Studie das Recht, auf Medikamente zuzugreifen. Patienten erhalten die Möglichkeit, nach einem Behandlungsschaden Entschädigungen einzufordern. Eine Änderung bezieht sich auf vulnerable Gruppen, also Menschen aus Entwicklungsländern: Forschungsvorhaben dürfen nur durchgeführt werden, wenn sie auf gesundheitliche Bedürfnisse oder Prioritäten der Gruppe reagieren. Außerdem muss die Gruppe einen Nutzen aus dem Forschungsvorhaben ziehen.

 

Text: Alcedis-Redaktion