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Welche Chancen beim Patientendaten-Schutz-Gesetz ungenutzt bleiben

Das Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG)1 soll sowohl für Patientinnen und Patienten als auch Ärzte, Apotheken und Forschung administrative Vorgänge im Gesundheitswesen vereinfachen. Zugleich äußern Datenschützer und Unternehmerverbände aus der Medizinbranche Kritik. Ein Überblick.

 

Was ist das Patientendaten-Schutz-Gesetz?

Mit dem Patientendaten-Schutz-Gesetz erhalten Patientinnen und Patienten ab 2021 die Möglichkeit, ihre Gesundheitsdaten in einer elektronischen Patientenakte (ePA) zu speichern. Diese wird von der Krankenkasse gestellt, Ärztinnen und Ärzte können die ePA nach Einwilligung ihrer Patienten mit Informationen zu Untersuchungen oder Befunden befüllen.

Folgende digitale Dokumente können Patienten ab 2022 in der elektronischen Patientenakte speichern:

  • E-Rezept

  • Arztberichte und Röntgenbilder

  • Impfausweis

  • Mutterpass

  • Gelbes U-Heft für Kinder

  • Zahn-Bonusheft

Patientendaten-Schutz-Gesetz soll mehr Kontrolle über Informationen garantieren

Über die Daten in ihrer digitalen Patientenakte sollen Patienten laut dem Bundesgesundheitsministerium ab 2022 die alleinige Kontrolle erhalten. Sie entscheiden demnach, welche Informationen gespeichert oder gelöscht werden. Zusätzlich geben sie diese für andere Ärztinnen und Ärzte frei.

Möchte sich ein Patient etwa eine Zweitmeinung einholen, stellt er dem jeweiligen Behandler Gesundheitsdaten seiner ePA zur Verfügung. Patienten legen fest, wer Zugriff auf ihre Informationen hat und was eine dritte Partei genau einsehen darf. Beispielsweise werden so Befunde einer vergangenen Zahnuntersuchung für einen anderen Facharzt, etwa einen Gynäkologen, nicht sichtbar.

Zudem soll das Patientendaten-Schutz-Gesetz administrative Vorgänge erleichtern. Dazu gehört das Einlösen digitaler Rezepte in einer Apotheke oder Facharzt-Überweisungen per ePA.

 

Patentendaten-Schutz-Gesetz ermöglicht ab 2023 Datenspende

Mit einer sogenannten Datenspende sollen Besitzer einer elektronischen Patientenakte ihre gespeicherten Gesundheitsdaten ab 2023 der Forschung zur Verfügung stellen können. Dafür erlauben Patienten die Weiterleitung ihrer Informationen an ein Forschungsdatenzentrum, übermittelt werden diese direkt per ePA.

Nach Aussage des Bundesgesundheitsministeriums sollen Daten aus der ePA dort künftig gemäß datenschutzrechtlichen Bestimmungen aufbereitet und für gesetzlich definierte Zwecke zur Förderung der medizinischen Versorgung genutzt werden. Dazu zählen unter anderem:

  • Analysen von Behandlungsabläufen und der Gesundheitsversorgung

  • Planung von Ressourcen in Krankenhäusern, etwa Medikamentenabgaben und Bettenauslastung

  • Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung

 

Kritik am Patientendaten-Schutz-Gesetz

Datenschützer äußern allerdings Kritik an dem neuen Gesetz. Da Patienten erst ab 2022 selbst entscheiden, welche Ärztinnen und Ärzte ihre Daten einsehen, hätten Behandler bis dahin bei Freigabe der ePA Zugang zu allen enthaltenen Unterlagen. Dadurch entfalle das Prinzip der Zweckgebundenheit.

Auch an der Praxistauglichkeit der ePA gibt es erhebliche Zweifel. Die Nutzung der elektronischen Patientenakte ist bislang nur per App verfügbar und damit auf mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablet-PCs beschränkt. Für Personen, die diese nicht besitzen, entfällt der Gebrauch damit vorerst. Unter anderem aus jenem Grund finden Datenschützer die Einführung der ePA als überhastet. Die Bundesregierung hingegen betont, die Nutzung der ePA sei freiwillig und somit datenschutzkonform.

 

Industrielle Forschung von Datenspende ausgeschlossen

Bislang soll die Freigabe der ePA-Daten nur auf Antrag an ausgewählte Landes- und Bundesbehörden sowie Institutionen öffentlicher Forschung erfolgen. Die industrielle Forschung, also Arzneimittelhersteller, Medizintechnikunternehmen oder die Biotech-Industrie, ist von deren Gebrauch ausgeschlossen. Lediglich eine Kooperation mit Nutzungsberechtigten schafft unter Umständen einen eingeschränkten Zugriff auf die Gesundheitsdaten, wobei die Weiterverarbeitung für eigene Zwecke ausgeschlossen bleibt.

Dabei böte die Nutzung dieser Real-World-Daten durch die industrielle Forschung ein erhebliches Potenzial für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Daten aus der ePA könnten von privater klinischer Forschung wie folgt verwendet werden:

  • Analysen individueller Behandlungsabläufe

  • Entwicklung neuer Ansätze zu alternativen Diagnose- und Therapiemethoden

  • Verwendung als Vergleichsdaten für anstehende Forschungsprojekte

Wie Finnland digitale Patientendaten nutzt

In anderen europäischen Ländern nutzt die private Forschung als gleichberechtigter Akteur bereits Gesundheitsdaten von Patientinnen und Patienten. So etwa in Finnland, das zu den Ländern mit den am stärksten digitalisierten Gesundheitssystemen zählt.

Findata3 gilt als zentrale Antragsstelle von Forschungsvorhaben mit vernetzten Datensätzen für Wissenschaft, Behörden und Industrie. Ähnlich wie im deutschen Forschungsdatenzentrum besteht die Aufgabe von Findata in der Beschaffung, Aufbereitung und sicheren Verteilung der Daten. Dazu gehören auch Gesundheitsdaten aus Fitnesstracker oder anderen mobilen Apps und Geräten.

Von der Behördenplattform profitiert auch die industrielle Forschung, da sie deren Daten unter Einhaltung der Datenschutzrichtlinien nutzen darf. Verknüpft mit der nationalen ePA, erhalten antragsberechtigte Organisationen aggregierte oder pseudonymisierte Gesundheitsdaten zur Weiterverarbeitung für Forschungszwecke. 

 

Fazit

Die Digitalisierung von Patienteninformationen bietet neue Chancen für die klinische Forschung. Somit könnte das Patientendaten-Schutz-Gesetz ein wichtiger Schritt in die Zukunft sein. Jedoch bleibt dessen Potenzial für die industrielle Forschung ungenutzt. Ein Blick in andere Länder zeigt: Die Nutzung von gespendeten Gesundheitsdaten durch Unternehmen ist unter Einhaltung der DSGVO möglich und bietet einen hohen Wert für die die Weiterentwicklung von klinischen Studien, Behandlungsmethoden und Patientenversorgung. Eine Zukunftsperspektive, von der langfristig nicht nur Unternehmen, sondern auch Gesellschaft und Politik profitieren.

 

 

1 Patientendaten-schutz-Gesetz: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/patientendaten-schutz-gesetz.html 

3 Findata – Finnish Social and Health Data Permit Authority: https://findata.fi/en/

 

Text: Alcedis Redaktion