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Interview mit Dr. Elke Heidrich-Lorsbach über die Digitalisierung klinischer Studien

Gemeinsam gründeten Dr. Elke Heidrich-Lorsbach und Michael Lorsbach 1992 Alcedis. Bis 1998 trug das Unternehmen noch den Namen der Gründer. Mit der Entwicklung Deutschlands ersten web-basierten Erhebungsbögen zur Dokumentation der Untersuchungsdaten von Patienten in klinischer Studien stellten sie die Weichen für eine digitale CRO.

 

Im Interview blickt Dr. Elke Heidrich-Lorsbach auf die spannenden Anfänge zurück, spricht über erste Herausforderungen und nennt digitale Trends der klinischen Forschung.

 

Alcedis wird nächstes Jahr 30 Jahre alt. Wie erinnern Sie sich an die Anfänge des Unternehmens?

Mein Mann kam als Ingenieur aus dem IT-Bereich und hatte einige Jahre im Ausland gearbeitet. Ich bin Ernährungswissenschaftlerin, habe in Biochemie promoviert und war danach in der Pharmaindustrie im Bereich onkologischer Studien tätig. Zu dieser Zeit war gerade unser erstes Kind zur Welt gekommen, wir liebten beide das selbständige Arbeiten und wollten erst einmal in Deutschland bleiben.

Also haben wir unser Wissen und unsere beruflichen Erfahrungen verknüpft, um die Digitalisierung klinischer Studien in den Fokus zu nehmen. Aus einem Auftraggeber wurden schnell mehrere, der Umfang der angefragten Dienstleistungen erweiterte sich, so dass wir konsequent Personal aufbauten und unser Dienstleistungsportfolio erweiterten. Dass dies eines Tages zu einer Full-Service CRO mit fast 150 Mitarbeitern führen würde, hätte ich damals nie gedacht.

Was wollten Sie mit Alcedis vorantreiben?

Wir haben früh erkannt, dass viele Arbeitsprozesse in der klinischen Forschung geradezu nach Digitalisierung schreien. Besonders im Bereich der Datenerhebung wurde fast ausschließlich mit Papier gearbeitet. Das war mühsam und umständlich.

In den Neunzigerjahren hielt das Internet Einzug in die Arbeitswelt. Die Tatsache, dass nach und nach jeder Arbeitsplatz einen Internetzugang erhielt, war 1997/98 der Anstoß für die Entwicklung und Einführung unserer ersten web-basierten Studiendokumentation.

Der erste elektronischen Prüfbogen (eCRF) wurde in einer multizentrischen Lungenkrebsstudie eingesetzt. Damit waren wir in Deutschland Vorreiter. Unser Ziel war die Digitalisierung in klinischen Studien voranzutreiben. Aus diesem Grund haben wir eine eigene IT-Abteilung aufgebaut. Ein Schritt, der sicherlich maßgeblich zur erfolgreichen Entwicklung der Firma beigetragen hat.

Wie wurde das eCRF entwickelt?

In den Prüfplänen ist festgelegt, welche Daten erfasst und später ausgewertet werden. Ähnlich wie bei der Erstellung von Papier-CRFs werden die Erfassungsformulare spezifiziert. Die Spezifikation ist Basis für das Aufsetzen der Datenbank und die Programmierung der Eingabeformulare, also den eCRF.

Um eine gute Datenqualität zu erhalten, wurden außerdem Plausibilitätskontrollen definiert und programmiert. So wurde schon während der Dateneingabe auf Fehler hingewiesen, falsche Datenformate konnten erst gar nicht eingegeben oder gespeichert werden.

Ziel dieses Vorgehens war unter anderem, die Anzahl implausibler Daten und damit den Aufwand des Datencleanings zu reduzieren. Unterschiedliche Rollen, etwa Prüfarzt, Dokumentar, Datenmanager oder Sponsor, erhielten abhängig von ihren Aufgaben unterschiedliche Rechte auf Daten und Formulare. Damit konnten Arbeitsabläufe effizienter gestaltet sowie die Datenqualität und -sicherheit erhöht werden.

Sie haben digitale Trends früh erkannt. Vor welchen Herausforderungen standen Sie?

Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten. Das Internet war damals noch Neuland. Nicht jedem Zentrum stand ein Computer mit Internetzugang für die Dokumentation von Studiendaten zur Verfügung. Hauptdiskussionspunkte waren Datenschutz und Datensicherheit, Datenvalidität sowie die Frage nach der Akzeptanz der Prüfzentren. Auch das Thema der elektronischen Signatur hat uns lange beschäftigt.

Wie sah das in der Praxis aus?

Um von der Infrastruktur der Zentren unabhängig zu sein, statteten wir damals über 100 Zentren mit Notebooks aus. Diese wurden über einen Internet-Stick mit dem Internet verbunden.

Die Internetabdeckung in Deutschland war damals zum Teil noch sehr schlecht. Dies führte dazu, dass die Dokumentare und Ärzte auf der Suche nach einer stabilen Verbindung für die Dateneingabe mit den Notebooks durch Büros oder Arztzimmer liefen. Die klinischen Monitore, welche die Daten überprüfen sollten, hatten ähnliche Probleme.

Ein Glas Sekt, das über die Tastatur verschüttet wurde, verbesserte die Verbindung auch nicht. Andere Notebooks waren nicht mehr auffindbar. Das waren noch Zeiten.

Was sind aktuelle Trends in der klinischen Forschung?

Ein Stichwort ist „Patient Centricity“: Der Patient wird eine aktivere Rolle in klinischen Studien spielen. Durch die rasante Entwicklung im Bereich der Devices besteht die Möglichkeit Daten direkt am Patienten zu erfassen.Ein Beispiel hierfür sind Wearables, die etwa körperliche Aktivität, Puls, Blutdruck und vieles mehr erfassen. Da geht der Trend klar hin.

Ein weiterer Punkt ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der klinischen Forschung. Das Erstellen von Profilen oder die Vorhersage von Ereignissen basierend auf Algorithmen gehören dazu. Dies ist eine Entwicklung, welche wir im Augenblick stark vorantreiben.

Die Themen sind vielfältig und komplex, in allen Bereichen kommt es zu immer stärkeren Spezialisierungen. Dies bedingt eine stärkere Vernetzung und die Zusammenarbeit verschiedener Fachgebiete.

Wie wird die Digitalisierung die klinische Forschung zukünftig prägen?

Die Durchführung klinischer Studien wird sich stark verändern. Wir stehen in vielen Bereichen noch am Anfang der Digitalisierung. Diese wird in den nächsten Jahren sicher konsequent vorangetrieben, so dass alle in der Medizin anfallenden Daten digital vorliegen werden, wir also von Big Data sprechen können.

Dies eröffnet große Möglichkeiten für die Entwicklung und den Einsatz von KI-Algorithmen. Ein Teil der in klinischen Studien gestellten Fragen kann wahrscheinlich über Vorhersagemodelle beantwortet werden, so dass weniger Patienten involviert werden müssen.

Schon heute ist die Auswertung von Bildern oder auch Gewebsschnitten ein Thema für den Einsatz von KI-Algorithmen. Das Ergebnis der Befundung von Bildern durch Maschinen kommt dem eines erfahrenen Befunders schon sehr nahe.

Berufsbilder werden sich verändern. In einer Klinik in Tel Aviv gibt es bereits heute erfolgreiche Versuche zum Einsatz von Avataren bei der Erfassung der Patientenanamnese. Damit können Ärzte von Routinearbeiten entlastet werden und sich auf das Wesentliche konzentrieren. Das zeigt, wir sind im digitalen Zeitalter angekommen.

 

Text: Alcedis-Redaktion