Medizinforschungsgesetz: Kritik aus der Industrie
Erstellt am: 25.06.2024
Das kürzlich entworfene Medizinforschungsgesetz (MFG) der Bundesregierung ist ein bedeutender Vorstoß zur Stärkung des Forschungsstandorts Deutschland. Doch wie bei vielen Reformen zeigt sich, dass der Teufel im Detail steckt. Trotz guter Ansätze gibt es berechtigte Kritik und Forderungen nach Nachbesserungen, um das volle Potenzial des Gesetzes auszuschöpfen.
Was ist das Medizinforschungsgesetz?
Das Medizinforschungsgesetz ist ein Gesetzesentwurf, der darauf abzielt, Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen sowie Zulassungsverfahren für Arzneimittel, Medizinprodukte und forschungsbedingte Strahlenanwendungen zu beschleunigen und zu entbürokratisieren, während die hohen Standards für die Patientensicherheit gewahrt bleiben.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach betonte in seiner Rede vor dem Bundestag¹ die drei Hauptziele des Gesetzes: die Stärkung Deutschlands als Forschungs- und Produktionsstandort für Arzneimittel, die Verbesserung der Versorgung durch mehr Forschung und die Beseitigung bürokratischer Hürden. Er hob hervor, dass Deutschland in den letzten Jahren im Bereich der Arzneimittelforschung erheblich zurückgefallen sei, was dazu geführt habe, dass innovative Medikamente für deutsche Patienten oft erst spät zugänglich sind.
Die Bundesregierung sieht darin eine zentrale Maßnahme zur Wiederbelebung des wissenschaftlichen Fortschritts im Pharmabereich. Der Entwurf basiert auf dem Ziel, europäische Standards effizient umzusetzen und gleichzeitig nationale Verfahren zu vereinfachen.
Die wichtigsten Maßnahmen sind zum Beispiel die Optimierung der Kooperation zwischen den verschiedenen Zulassungsbehörden, die Erleichterung der Durchführung dezentraler klinischer Studien oder Standardvertragsklauseln für klinische Prüfungen, die auf den Webseiten der zuständigen Bundesbehörden veröffentlicht werden. Weitere Maßnahmen umfassen die Einrichtung zentraler Ansprechpartner auf Bundesebene sowie die Schaffung klarer Zuständigkeiten für komplexe Prüfverfahren.
Zudem soll ein einheitliches digitales Verfahren für die Einreichung und Bearbeitung von Studienanträgen eingeführt werden, um Zeitverluste im Genehmigungsprozess zu vermeiden. Diese Maßnahmen könnten nicht nur für deutsche Unternehmen Vorteile bringen, sondern auch ausländische Investoren verstärkt anziehen.
Kritik und Verbesserungsvorschläge aus der Industrie
Trotz der positiven Aspekte gibt es Kritikpunkte, die von verschiedenen Akteuren der Pharmaindustrie und Forschung geäußert wurden. Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)² und die Initiative Studienstandort Deutschland (ISD) loben den Ansatz des Gesetzes, betonen jedoch, dass es nicht weit genug geht, um Deutschland wieder an die internationale Spitze zu bringen. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass die Zahl der industrieinitiierten Arzneimittelstudien in Deutschland weiterhin rückläufig ist und dringende Maßnahmen erforderlich sind, um diese Entwicklung umzukehren.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Komplexität der bestehenden Gesetze, die aus Sicht vieler Unternehmen nicht ausreichend entschlackt wurden. Auch die unterschiedlichen Zuständigkeiten der Behörden auf Landes- und Bundesebene führen häufig zu Verzögerungen bei klinischen Studien.
Forderungen des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI)
Der BPI hat in einer Pressemitteilung weitere Anpassungen am MFG gefordert³. Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des BPI, hebt drei Kernforderungen hervor:
Angemessene Honorierung der Forschung: Joachimsen kritisiert, dass innovative Therapien in Deutschland nicht ausreichend honoriert werden. Insbesondere die Preisbildung für neue Medikamente müsse reformiert werden, um kleine, aber wichtige Fortschritte in der Arzneimittelentwicklung angemessen zu würdigen. Die derzeitigen Preiszwänge im AMNOG-System machen Deutschland für pharmazeutische Unternehmen unattraktiv, was auch das internationale Preisgefüge negativ beeinflusst.
Zudem weist der BPI darauf hin, dass deutsche Regelungen zur Erstattung von Arzneimitteln häufig nicht mit dem Innovationscharakter neuer Therapien Schritt halten. Dies stelle ein zentrales Hemmnis für eine moderne Arzneimittelversorgung dar.
Regelmäßige Evaluierung des Gesetzes: Der BPI fordert, dass das MFG alle zwei Jahre überprüft wird, um sicherzustellen, dass die angestrebten Ziele tatsächlich erreicht werden und um notwendige Anpassungen rechtzeitig vorzunehmen. Die Bundesregierung solle laut BPI dabei auch unabhängige wissenschaftliche Institute einbeziehen.
Verbindliche Standardvertragsklauseln: Um die Vertragsverhandlungszeiten vor klinischen Prüfungen zu verkürzen, schlägt der BPI vor, die im Gesetz vorgesehenen Standardvertragsklauseln verbindlich im Arzneimittelgesetz zu verankern. Dies könne die Attraktivität Deutschlands als Standort für klinische Studien erheblich erhöhen.
Darüber hinaus fordert der BPI eine stärkere Rolle des Bundestags in der Überwachung und Begleitung der Umsetzung des Gesetzes. Nur durch eine enge parlamentarische Kontrolle könne gewährleistet werden, dass Verfahren zügig, transparent und zielgerichtet ablaufen.
Fazit
Das Medizinforschungsgesetz ist ein wichtiger Schritt, um Deutschland als Standort für pharmazeutische Forschung und Entwicklung zu stärken. Es adressiert viele der bestehenden Probleme und schafft eine Grundlage für zukünftige Verbesserungen. Doch wie die Reaktionen aus der Industrie zeigen, sind weitere Anpassungen notwendig, um das volle Potenzial dieses Gesetzes auszuschöpfen und Deutschland ein Aufholen im medizinischen Forschungsmarkt zu ermöglichen.
Damit dies gelingt, müssen bestehende Verfahren konsequent vereinfacht, klinische Studien besser unterstützt und Gesetzeslücken geschlossen werden – ein Anspruch, dem sich sowohl Bundesregierung als auch Bundestag stellen müssen.
Referenzen
1 Rede von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach zum Medizinforschungsgesetz